Einige Beispiele sollen exemplarisch zeigen, wie willkürlich gesammelte Daten unser Leben gravierend beeinflussen können:
  1. Was ich nie über Sex wissen wollte
    Emma L. hatte sich auf dem Dating-Portal OkCupid zu einem Treffen verabredet. Das Date war ein Reinfall (kommt manchmal vor). Wenig später wurde ihr der Dating-Partner von Facebook als Freund empfohlen, in der "People You May Know" Section. Maria L. wurden ihre Tinder-Dates von Facebook als Freunde empfohlen. Es gibt auf Twitter noch viele weitere Beispiele für diese seltsamen Facebook Empfehlungen.

    Weder OkCupid noch Tinder geben Daten an Facebook weiter. Die Empfehlungen für Freunde werden anhand der Geolocation ("zur gleichen Zeit am gleichen Ort") und aufgrund ähnlicher Interessen ("Dating-Webseite besucht") ermittelt. Dass könnten auch unangenehmer sein, z. B. wenn Unbekannte gleichzeitig im Warteraum einer Drogen­beratung sitzen und später die Facebook Profile präsentiert bekommen o.ä.

  2. Schwangerschaftserkennung
    Target ist einer der größte Discounter in den USA. Eines Tages stürmte ein wütender Vater in eine Filiale und beschwert sich, dass seine minderjährige Tochter Rabatt­marken für Babysachen erhalten hat. Später musste der Vater kleinlaut zugegeben, dass seine Tochter wirklich schwanger war, er selbst aber nichts davon wusste. Target hatte die Schwangerschaft der Tochter an kleinen Änderungen im Kaufverhalten erkannt.
  3. Abgang in den Spitzelstaat
    Im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) für Piloten wurde Herr J. Schreiber mit folgenden vom Verfassungsschutz gesammelten Fakten konfrontiert:
    • Er wurde 1994 auf einer Demonstration kontrolliert. Er wurde nicht angezeigt, angeklagt oder einer Straftat verdächtigt, sondern nur als Teilnehmer registriert.
    • Offensichtlich wurde daraufhin sein Bekanntenkreis durchleuchtet.
    • Als Geschäftsführer einer GmbH für Software habe er eine vorbestrafte Person beschäftigt. Er sollte erklären, welche Beziehung er zu dieser Person habe.
    • Laut Einschätzung des Verfassungsschutzes neige er zum Extremismus, da er einen Bauwagen besitzt. Bei dem sogenannten "Bauwagen" handelt es sich um einen Allrad-LKW, den Herr S. für Reisen nutzt (z. B. in die Sahara).
    Für Herrn S. ging die Sache gut aus. In einer Stellungnahme konnte er die in der Akte gesammelten Punkte erklären. In der Regel wird uns die Gelegenheit zu einer Stellung­nahme jedoch nicht eingeräumt. Es werden Entscheidungen getroffen und wir haben keine Ahnung, welche Daten dabei eine Rolle spielten.
  4. Datenstigma
    Ein junger Mann meldet sich freiwillig zur Bundeswehr. Mit sechs Jahren war er kurzzeitig in therapheutischer Behandlung, mit vierzehn hatte er etwas gekifft. Seine besorgte Mutter ging mit ihm zur Drogenberatung. In den folgenden Jahren gab es keine Drogenprobleme. Von der Bundeswehr erhält er eine Ablehnung, da er ja mit sechs Jahren eine Psychotherapie durchführen musste und Drogenprobleme gehabt hätte.
  5. Kollateralschäden
    Ein großer deutscher Provider liefert falsche Kommunikationsdaten ans BKA. Der zu Unrecht Beschuldigte erlebt das volle Programm: Hausdurchsuchung, Beschlagnahme der Rechner, Verhöre und sicher nicht sehr lustige Gespräche im Familienkreis. Die persönlichen und wirtschaftlichen Folgen sind nur schwer zu beziffern.
    Angesichts der sich daraus ergebenden bisherigen Zustände kann man wohl nur spekulieren, wie viele Kunden der Firma schon zu Unrecht morgens von der Polizei aufgesucht wurden. (Udo Vetter)
    Noch krasser ist das Ergebnis der Operation Ore in Großbritannien. Einige Tausend Personen wurden wegen Konsums von Kinderpornografie angeklagt. Acht Jahre später stellte sich heraus, dass die meisten Betroffen zu unrecht verurteilt wurden, weil sie Opfer von Kreditkarten Betrug waren. 39 Menschen hatten Selbstmord begangen, da ihnen alles genommen wurde. Artikelserie zur "Operation Ore": Teil1, Teil2, Teil3.
  6. Leimruten des BKA (oder Honeypot BKA-Website)

    Wie schnell man in das Visier der Fahnder des BKA geraten kann, zeigt ein Artikel von Kai Biermann. Die Webseite des BKA zur Gruppe "mg" war ein Honeypot, der dazu diente, weitere Sympathisanten zu identifizieren. Die Bundesanwaltschaft verteidigt die Maßnahme als legale Fahndungsmethode.

    Mit dem im Juni 2009 beschlossenen BSI-Gesetz übernimmt die Behörde die Aufzeichnung und unbegrenzte Speicherung personenbeziehbarer Nutzerinformationen wie IP-Adressen, die bei der Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltungs­einrichtungen des Bundes anfallen. Wir können daraus nur den Schluss ziehen, diese und ähnliche Angebote in Zukunft mit Anonymisierungsdiensten zu nutzen.

Nicht immer treten die (repressiven) Folgen staatlicher verordneter Sammelwut für die Betroffenen so deutlich hervor. In der Regel werden Entscheidungen über uns getroffen, ohne uns zu benachrichtigen. Wir bezeichnen die (repressiven) Folgen dann als "Schicksal".

Politische Aktivisten

Wer sich politisch engagiert und auf gerne vertuschte Missstände hinweist, hat besonders unter der Sammelwut staatlicher Stellen zu leiden. Einige deutsche Beispiele:
  1. Erich Schmidt-Eenboom veröffentliche 1994 als Publizist und Friedensforscher ein Buch über den BND. In den folgenden Monaten wurden er und seine Mitarbeiter vom BND ohne rechtliche Grundlage intensiv überwacht, um die Kontaktpersonen zu ermitteln. Ein Interview steht online unter dem Titel "Sie beschatteten mich sogar in der Sauna" bereit.
  2. Fahndung zur Abschreckung In Vorbereitung des G8-Gipfels in Heiligendamm veranstaltete die Polizei am 9. Mai 2007 eine Großrazzia. Dabei wurden bei Globalisierungsgegnern Rechner, Server und Materialien beschlagnahmt. Die Infrastruktur zur Organisation der Proteste wurde nachhaltig geschädigt. Wenige Tage nach der Aktion wurde ein Peilsender des BKA am Auto eines Protestlers gefunden.

    Um die präventiven Maßnahmen zu rechtfertigen wurden die Protestler als terroristische Vereinigung eingestuft. Das Netzwerk Attac konnte 1,5 Jahre später vor Gericht erreichen, dass diese Einstufung unrechtmäßig war. Das Ziel, die Organisation der Proteste zu behindern, wurde jedoch erreicht.

  3. Dr. Rolf Gössner ist Rechtsanwalt, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschen­rechte, Mitherausgeber des Grundrechte-Reports, Vizepräsident und Jury-Mitglied bei den Big Brother Awards. Er wurde vom Verfassungsschutz 38 Jahre lang überwacht. Obwohl das Verwaltungsgericht Köln bereits urteilte, dass der Verfassungs­schutz für den gesamten Bespitzelungszeitraum Einblick in die Akten gewähren muss, wird dieses Urteil mit Hilfe der Regierung ignoriert. Es werden Sicherheitsinteressen vorgeschoben!
Mit dem Aufbau der "neuen Sicherheitsarchitektur" bedeutet eine Überwachung nicht nur, dass der direkt Betroffene überwacht wird. Es werden Bekannte und Freunde aus dem persönlichen Umfeld einbezogen. Sie werden in der AntiTerrorDatei gespeichert, auch ihre Kommunikation kann überwacht werden, es ist sogar möglich, Wanzen in den Wohnungen der Freunde zu installieren.